Reizdarmsyndrom

Allgemeines

Die Diagnose „Reizdarm“ gibt es noch nicht sehr lange. Nach heutigen Erkenntnissen leiden etwa 2,5 – 25% der Bevölkerung unter einem solchen Reizdarm. Frauen sind doppelt so häufig betroffen wie Männer. Damit stellt die Diagnose eine der häufigsten Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes dar. Sie wird erst dann gestellt, wenn alle anderen Krankheiten des Darms ausgeschlossen werden konnten. An der breiten Spanne der Häufigkeit kann man bereits erkennen, dass die Diagnosestellung gar nicht so einfach und eindeutig ist.

Was sind die Symptome bei Reizdarm?

Typische Beschwerden bei einem Reizdarmsyndrom sind:

  • Verstopfung
  • Durchfall
  • Blähungen
  • Blähbauch
  • Bauchschmerzen, Bauchkrämpfe

Dabei gibt es nicht nur eindeutige Beschwerdebilder. Häufig wechseln sich Durchfälle mit Verstopfung ab. Einige Patienten haben auch gar keine Veränderungen in der Stuhlkonsistenz.

Aber auch folgende Symptome können Begleiterscheinungen eines Reizdarms sein:

  • Lethargie
  • Rückenschmerzen
  • Kopfschmerzen
  • häufiger Harndrang
  • Angststörungen, Depressionen

Nach der aktuellen Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS)liegt ein Reizdarmsyndrom vor, wenn folgende Kriterien erfüllt sind:

  • Es handelt sich um Darmbeschwerden, die bereits länger als 3 Monate anhalten, und häufig mit Veränderungen des Stuhlgangs (Durchfall, Verstopfung) einhergehen
  • Die Darmbeschwerden schränken den Patienten so stark ein, dass er in seiner Lebensqualität erheblich eingeschränktist und ärztliche Hilfe sucht.
  • Andere Krankheiten als Ursache der Darmbeschwerden können ausgeschlossen werden.

Wie erfolgt die Diagnostik?

Etwa die Hälfte der Patienten mit Bauchbeschwerden stellen sich irgendwann bei ihrem Internisten oder Gastroenterologen vor. Dieser wird mit Hilfe einer umfassenden Anamnese, einer Ultraschalluntersuchung und einer ersten Labordiagnostik nach den Ursachen der Beschwerden schauen. Frauen sollten auch ihren Gynäkologen aufsuchen, um eine Erkrankung der Unterleibsorgane auszuschließen.

Bei Durchfallsymptomen kann eine Stuhluntersuchung erfolgen, die Aufschluss gibt über unerwünschte Bewohner im Darm (z.B. Würmer) oder eine Fehlbesiedelung mit ungünstigen Darmbakterien. Auch eine Zöliakie (Gluten-Unverträglichkeit) sollte anhand einer Blutanalyse ausgeschlossen werden. Oftmals wird eine Darmspiegelung vorgenommen, um zu schauen, ob es entzündliche Veränderungen der Darmschleimhaut gibt.

Über einen H2-Atemtest wird überprüft, ob eventuell Unverträglichkeiten auf Laktose, Fruktose und Sorbit vorliegen.

Was sind die Ursachen des Reizdarmsyndroms?

Die genauen Ursachen für die Entstehung eines Reizdarmsyndroms sind noch gar nicht alle bekannt. Diskutiert werden zur Zeit verschiedene Auslöser, z.B. Infektionen, Umweltfaktoren, Stress, eine gestörte Darmbarriere, beschleunigte oder verlangsamte Transitzeit im Darm, erhöhte Sekretbildung im Dünndarm, erhöhte Empfindlichkeit im Bauchbereich mit stärkerer Schmerzwahrnehmung, ein Ungleichgewicht an Immunzellen, eine erhöhte Dichte von Nervenfasern in der Darmschleimhaut, Veränderungen im vegetativen Nervensystem.

Ein Reizdarmsyndrom verläuft häufig chronisch, kann aber auch spontan wieder abklingen. Bisher ist nicht bekannt, dass das Vorliegen eines Reizdarms das Auftreten anderer Erkrankungen begünstigt.

Hilfe durch Ernährungstherapie

Die Ernährungstherapie kennt bisher keine Standardtherapie des Reizdarms, daher muss die Beratung sehr individuell erfolgen und auf den jeweiligen Patienten zugeschnitten sein.

Regelmäßige Mahlzeiten für einen empfindsamen Darm

Ein empfindlicher Darm braucht regelmäßige Mahlzeiten. Dabei kommt es nicht nur darauf an, WAS, sondern auch WIE und WIE OFT gegessen wird. Idealerweise besteht der Essplan aus drei festen Mahlzeiten – Frühstück, Mittagessen, Abendessen – und eventuell zwei Zwischenmahlzeiten. Wichtig ist, dass die Portionsgrößen so angepasst werden, dass der Verdauungstrakt nicht überfordert wird und genügend Zeit hat, alles zu verarbeiten.

Auch das Essverhalten spielt eine Rolle. Empfehlenswert ist es, das Essen ganz in Ruhe zu genießen, gut zu kauen und einzuspeicheln.

Darmflora in Balance

Unsere Darmflora ist im Grunde ein empfindliches kleines Ökosystem. Befinden sich darin zu viele ungünstige, gasbildende Bakterienstämme, so gerät die Balance in diesem System schnell durcheinander. Um die „guten“ Bakterien zu füttern, braucht es eine entsprechende Menge an Ballaststoffen, z.B. aus Gemüse, Vollkorngetreide, Leinsamen und Flohsamen, aber auch probiotisch wirkende Lebensmittel wie Naturjoghurt, Kefir oder Sauerkraut. Damit lassen sich günstige Bakterienstämme zuführen und pflegen. Eventuell ist auch der Einsatz spezieller probiotischer Produkte angezeigt.

Was die Darmflora gar nicht mag, sind Zucker und Alkohol! Schauen Sie einmal aufmerksam auf Ihre Lebensmittel. Essen Sie z.B. häufig Fruchtjoghurt? Trinken Sie Limonaden, Fruchtsäfte oder Eistee? Verwenden Sie viele Fertiggerichte? Essen Sie häufig Süßigkeiten? Trinken Sie regelmäßig Alkohol?

Häufig besteht der erste Schritt in der Ernährungstherapie darin, zuckerhaltige Lebensmittel auszutauschen. Ein Fruchtjoghurt ist schnell selbst hergestellt aus Naturjoghurt und zuckerarmem Beerenobst. Eistee lässt sich ersetzen durch ungezuckerten Tee mit einem Spritzer Fruchtsaft und gefrorenen Früchten, Limonade durch aromatisiertes Wasser (z.B. mit Minzblättern, Limette oder Zitrone). Natürlich ist die Umstellung auf weniger Zucker anfangs etwas gewöhnungsbedürftig, nach einer Weile werden Sie merken, dass es sich lohnt.

Richtige Lebensmittelauswahl

Einige Lebensmittel sind von Natur aus schwerer verträglich als andere. Welche im Einzelfall vertragen werden, ist individuell verschieden. Die folgende Zusammenstellung können Sie daher als grobe Orientierung verstehen. Es kann gut sein, dass Sie auf einzelne Lebensmittel anders reagieren.

Lebensmittelauswahl bei Reizdarmsyndrom

eher gut verträglich

eher weniger verträglich

 gut verträgliche frische Salate  und Gemüse wie Karotten,  Spinat, Mangold, Gurke,  Tomaten, Fenchel, Ingwer,  Oliven, grüne Bohnen, Kürbis,  Rote Bete, Zucchini,  Zuckerschoten, Kohlrabi,  Brokkoli

 —> am besten gedünstet;  abends keine Rohkost!

 alle anderen Kohl- und  Bohnengemüse, Artischocken,  Avocado, Chicorée,  Schwarzwurzeln, Zwiebeln,  Lauch, Paprika, Linsen,  Kichererbsen, Pilze, Pastinake,  Knoblauch

 Banane, Erdbeeren,  Himbeeren, Stachelbeeren,  Blaubeeren, Melone, Kiwi,  Ananas

 Äpfel, Aprikosen, Birnen,  Kirschen, Pflaumen, Aprikosen,  Feigen, Nektarinen, Pfirsiche,  Trockenfrüchte, Konfitüre,  Konserven

 Fein geschrotetes Brot,  glutenfreies Brot und Brötchen,  Müsli und Getreideprodukte  aus Hafer, Buchweizen, Hirse,  Quinoa;

 Kartoffeln, Polenta, Reis

 ganz frische Backwaren,  grobes  Vollkornbrot mit  Körnern,  Produkte aus Roggen  oder  Weizen, Müsli mit  Trockenfrüchten und/oder  Zuckerzusatz, frittierte  Kartoffelprodukte (Pommes,  Kroketten),

 Frischer Fisch und  Meeresfrüchte (vor allem  Lachs, Thunfisch, Makrele,  Hering)

 Fischgerichte mit Mayonnaise  oder Sahne, panierter oder  frittierter Fisch

 Mageres Fleisch, magere Wurst  ohne künstliche Zusätze oder  Süßungsmittel

 fettreiches Fleisch, fettreiche  Wurst, paniertes Fleisch,  frittiertes Fleisch

 Eier und Eierspeisen, Hartkäse,  lang gereifter Käse,  laktosefreie Milchprodukte  wie Buttermilch, Joghurt,  Quark, Hüttenkäse und  Frischkäse, Fetakäse,

 hartgekochte Eier,  laktosereiche Milchprodukte,  Mascarpone, Sahne, Pudding,  gesüßter Milchreis

 Öle in Maßen und nach  Verträglichkeit; am besten  Omega-3-reiche Pflanzenöle  wie Rapsöl, Walnussöl, Leinöl

 Omega-6-reiche Pflanzenöle  wie  Sonnenblumen-, Distel-,  Maiskeim-, Sesam- und  Distelöl, Margarine, gezuckerte  Nussmuse

 stilles Wasser, ungesüßter Tee  (grün, schwarz, Kräuter),  frische gebrühter Kaffee in  Maßen (max. 3 Tassen/Tag)

 sehr kalte und  kohlensäurehaltige Getränke,  Fruchtsaft, Kräutertee,  alkoholische Getränke,  Limonaden und andere gesüßte  Getränke

 frische oder tiefgefrorene  Kräuter

 scharfe Gewürze, Fertigsoßen,  Würzmittel

 

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Ein gesunder Lebensstil

Ein gesunder Lebensstil gefällt auch dem Darm.

Der Darm reagiert wohl wie kein anderes Organ auf unser inneres Befinden. Daher gehören auch Maßnahmen für eine gesunde und entspannte Lebensführung zu einer wirksamen Ernährungstherapie dazu.

 

  • Nicht rauchen
  • Regelmäßige Bewegung
  • Wenig oder gar kein Alkohol
  • Ausgewogene Ernährung
  • Ausreichend trinken (1,5 – 2 Liter / Tag)
  • Genügend und erholsamer Schlaf
  • Stressabbau und Stressbewältigung
  • Entspannungsübungen, z.B. Atemübungen, Yoga, autogenes Training, MBSR, Meditation

Welche Therapieansätze gibt es noch?

Die oben genannten vier Beratungsinhalte bilden das Fundament in der Therapie bei Reizdarm. Sollte über diese Maßnahmen keine Besserung erfolgen, kann man schauen, ob über eine glutenfreie Ernährung eine Linderung der Beschwerden erzielt werden kann.

Ein weiterer Therapieansatz stellt die so genannte FODMAP-Diät dar.

Hierbei geht es darum, Lebensmittel mit bestimmten Kohlenhydraten und Zuckeralkoholen eine Zeitlang aus dem Speiseplan zu streichen.

Eine solche Diät sollte nicht auf eigene Faust, sondern nur mit Begleitung eines Ernährungstherapeuten durchgeführt werden, da diese die Lebensmittelauswahl sehr stark einschränkt.

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